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Der letzte Nachtwächter von Holzgerlingen

Der letzte Nachtwächter in unserer Gemeinde hieß Georg Busch und war - wie man heute sagen würde - ein Neubürger oder auf schwäbisch " a Reigschmeckter".

1878 in Oberfischbach bei Crailsheim geboren kam er auf recht abenteuerliche Weise nach Holzgerlingen. Seine ledige Mutter hatte ihn - sicherlich aus großer materieller und seelischer Not - als Siebenjährigen beim Schäferlauf in Markgröningen ausgesetzt! Er verbrachte dann freudlose Jahre bei Pflegeeltern und büchste dann einfach aus. Auf einem Bauernhof fand er Unterschlupf und wurde später Knecht und Melker in verschiedenen landwirtschaftlichen Betrieben, zuletzt im Hofgut Mauren. Als Melker musste er in Mauren zweimal täglich bis zu vierzig Kühe melken!

Er lebte sehr sparsam und konnte sich bald ein Fahrrad kaufen (damals noch mit Karbid-Lampe) und kam so auch nach Holzgerlingen, wo er dann Christine Sterzer kennen lernte und 1906 heiratete. Zuvor hatten sich die beiden heimlich verlobt - er hat seiner Angebeteten den Ring durch das Fenster gereicht! Mit der Zeit kamen vier Kinder auf die Welt.

Im 1. Weltkrieg diente Georg Busch bei den Ulanen -ein Foto in seiner schmucken Unform hing später im Wohnzimmer der Familie Busch. Georg Busch hatte viele Begabungen und Ideen. Er konnte alle Ersatz- teile für Holzfuhrwerke herstellen, außerdem Stiele für Äxte, Beile, Hämmer oder Schaufeln, er reparierte auch Holzrechen und vieles andere ohne jemals eine Wagnerlehre gemacht zu haben.

Nach dem Kauf einer alten Bandsäge sägte er Brennholz für die Nachbarschaft und legte sich auch eine Obstmühle und Mostpresse zu.

Obwohl er kaum Zeit für sein für damalige Verhältnisse noch ungewöhnliches Hobby, das Fotografieren, hatte, richtete er sich in seinem Hühnerhaus auf dem Brockenberg eine Dunkelkammer ein! Nach Gründung einer Musikkapelle spielte er dort mit Begeisterung die Trompete. Als Arbeiter in der damaligen Brandmalerei Binder in der Turmstraße hatte er später ein geregeltes Einkommen.

Im Nebenberuf drehte Georg Busch dann abends seine Runden als Nachtwächter durch das Dorf. Er musste seine Rundgänge durch das Betätigen von Stechuhren bestätigen, die im Ort verteilt an verschiedenen Häusern angebracht waren. (Noch bis zum Jahr 1945 hing so ein Blechkasten an Heldmaier's Scheune in der Schönaicher Straße). Zusammen mit Dorfpolizist Gottlob Schmid hatte er auch auf die Einhaltung der Polizeistunde zu achten und für Nachruhe zu sorgen. Georg Busch starb 1961 im Alter von 83 Jahren.

Der Enkel von Georg Busch (mütterlicherseits), Eugen Heim, hat uns die Unterlagen für diese interessante Geschichte übermittelt. Sie zeigt, dass man auch aus bescheidenen Verhältnissen stammend durch Energie und Fleiß Erfolg haben kann im Leben.

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Autor:
Helga Zaiser
Mörikestraße 26
71088 Holzgerlingen
Telefon 07031/609349
E-Mail: email[at]omahelga.de


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