Holzgerlingen Online - Eule und Rabe © Bärbel Lohberg

Vier Datza für oimol raucha!

Noch vor rund 50 Jahren wurden "schulische Verfehlungen", wie z.B. das Zuspätkommen, das Vergessen der Hausaufgaben, das Schwätzen im Unterricht usw. mit dem Rohrstock bestraft.

Man musste vor die Klasse treten und die Hand hinhalten, man bekam dann eben eine "Datz". Willy Mickeler beschrieb das schwäbische Wort "Datza" (Mehrzahl) in seinem Büchlein " Fundgrube schwäbischer Mundart im Schönbuch" folgendermaßen: "Mit "Datza sind nicht nur Tiertatzen, bzw. Tierpfoten gemeint, sondern es war früher die in den Schulen am häufigsten angewandte Strafe, nämlich einen oder mehrere Schläge mit dem "Datzastegga "(Bambusstock) auf die flach ausgestreckte Hand. Bei schweren Verfehlungen gab es dann als Steigerung eine Tracht Prügel mit diesem auch Meerrohr genannten Stock auf das Hinterteil. Die Schüler mussten sich dabei ganz nach vorne beugen!

Es soll in Holzgerlingen um die Jahrhundertwende einen ganz bestimmten Lehrer gegeben haben, der besonders freigiebig mit "am Datza geba" umgegangen ist. Nach der ersten "Datz" soll er jeweils gesagt haben "so, ond jetzt de ander Hand - doppelt g'näht hält besser!"

Zum Abschluss gab es für den Schüler noch einen anständigen Schlag auf den Rücken mit dem Kommentar "ond dreifach trennt net!"

Viele ältere Holzgerlinger können noch ähnliche Geschichten aus ihrer Schulzeit erzählen, fast jeder hat damals Bekanntschaft mit dem Datzastecka gemacht. Im Laufe der Jahre blieb der Stock immer mehr in der Ecke stehen oder wurde nur noch für besonders freche Lausbuben benützt. Aber auch für schwatzhafte Mädchen konnte es schon mal eine Datz - oder aber auch eine Ohrfeige - geben...

Im Vergleich zu heute war das Rauchen für Schüler früher strengstens verboten - trotzdem wollte man es ab und zu einmal heimlich probieren. Ein alter Holzgerlinger hat einmal folgende Geschichte erzählt: "An einem Montag prahlte er zusammen mit seinen Freunden auf dem Schulhof damit, dass sie am Sonntag heimlich geraucht hätten. Sie wollten damit den Mädchen aus ihrer Klasse besonders imponieren. Natürlich sollten die Mädchen niemand davon erzählen, es war ein Geheimnis. Doch eine davon hielt dann doch nicht dicht und erzählte dem Lehrer von dieser schweren Verfehlung. Dieser zeigte keinerlei Verständnis für die Sünder und verordnete sofort folgende Strafe: "Jeder kriegt vier Tatzen, jeweils zwei vor der Pause und zwei nach der Pause!"

Diese so genannten körperlichen Züchtigungen wurden dann in Baden-Württemberg im Jahr 1958 in einem neuen Schulgesetz verboten und gehören damit längst der Vergangenheit an. Interessant ist noch die Tatsache, dass der Freistaat Bayern erst 1978 das Gesetz zur Abschaffung der Prügelstrafe eingeführt hat!

Eine Geschichte über eine folgenschwere Ohrfeige wurde uns von Eugen Heim eingeschickt. Seine Großmutter sei immer vorne gesessen, d.h. sie war eine gute Schülerin.(Früher gab nur am Ende der Schulzeit ein Zeugnis, dafür konnte man beim Betreten des Klassenzimmers gleich den Leistungsstand erkennen, denn die Guten saßen vorne und die Schlechten hinten.) Trotzdem bekam sie einmal vom Lehrer eine schallende Ohrfeige! Diese war so gewaltig, dass das Mädchen tagelang Schmerzen hatte und auf dem betreffenden Ohr nichts mehr hören konnte. Ihre Mutter wurde darüber so böse, dass sie zum Lehrer ging, um sich zu beschweren. Dieser zeigte keinerlei Einsicht und so sperrte ihn die erboste Frau kurzerhand im Klassenzimmer ein und nahm den Schlüssel mit nach Hause!

Dies blieb natürlich nicht ohne Folgen, das war schließlich Freiheitsberaubung. Dem damaligen Schultes als Friedensrichter blieb nichts anderes übrig, als die gute Frau zu drei Tagen Arrest zu verurteilen. Leider fehlte der armen Webersfrau das Geld, um die Strafe in bar abzugelten. Wohl oder übel musste sie der Büttel, der damals noch die Polizeigewalt hatte, einsperren.

Der Büttel hatte aber ein gutes Herz und fand wohl die Strafe doch etwas zu hart. Und so ließ er die gute Frau bereits am Abend wieder frei mit den Worten: "Jetzt gang no hoim zo Deine Kender!" - Aber wenn man sie später auf diese Geschichte angesprochen hat, meinte sie schelmisch: "Aber au dr Lehrer ischt a baar Stond eingschperrt gwea - weil i jo da Schlüssel ghet han!"

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Autor:
Helga Zaiser
Mörikestraße 26
71088 Holzgerlingen
Telefon 07031/609349
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